Mit der Umsetzung des «Strategischen Netzes 2025» wird der Abtransport der Energie von den Kraftwerken in den Alpen in die Verbrauchsregionen gewährleistet, die Anbindung an das europäische Netz gestärkt, und es werden bestehende Engpässe im Netz behoben. In der Netzplanung sind auch der Um- und der Ausbau von Unterwerken und Transformatoren vorgesehen. 2021 nahm Swissgrid die neue gasisolierte Anlage in Innertkirchen in Betrieb. Ebenso erfolgte der Baustart für den Neubau in Ernen. Das neue Unterwerk ersetzt die alte Anlage in Fiesch und verhindert eine Talquerung der Leitung, was die Siedlungsgebiete entlastet. Im Unterwerk Mühleberg hat Swissgrid 2021 den neuen Transformator für Testzwecke zeitweise in Betrieb genommen. Gemeinsam mit der Spannungserhöhung der Leitung zwischen Bassecourt und Mühleberg kann Swissgrid die Importfähigkeit erhöhen und damit die Versorgungssicherheit im Mittelland langfristig gewährleisten.
Netzprojekte in den langjährigen Bewilligungsverfahren
Bis ein Netzprojekt gebaut werden kann, muss dieses das Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren des Bundes durchlaufen, was rund 15 Jahre, oft sogar länger dauern kann. Swissgrid engagiert sich dafür, dass die Modernisierung des Netzes durch effiziente Bewilligungsverfahren beschleunigt wird.
Derzeit befinden sich mehrere Projekte im Sachplan- oder Plangenehmigungsverfahren. So hat Swissgrid 2021 ihre Gesuche für die Sachplanverfahren der Leitungen zwischen Marmorera und Tinizong sowie zwischen Innertkirchen und Mettlen dem Bundesamt für Energie eingereicht. Im Plangenehmigungsverfahren erwartet Swissgrid die Baubewilligung unter anderem für die Netzprojekte zwischen Airolo und Lavorgo, zwischen Chippis und Mörel sowie zwischen Bickigen und Chippis. Falls gegen diese Beschwerden eingehen, folgt ein Gerichtsverfahren. Ein solches konnte 2021 für das wichtige Projekt zwischen Bassecourt und Mühleberg abgeschlossen werden. Das Bundesgericht hat die Spannungserhöhung bestätigt und alle Einsprachen abgewiesen.
Ein Pionierprojekt stellt die Verbindung zwischen Airolo und Mettlen dar. Swissgrid wird die bestehende Verbindung über den Gotthardpass demontieren und als Kabelleitung durch den neuen Strassentunnel führen. Die Bündelung von Infrastrukturen erlaubt in diesem Fall den Rückbau einer Freileitung auf einer Länge von 23 Kilometern mit mehr als 60 Masten. Das Projekt befindet sich derzeit in der Planungsphase.
Bedeutende Bewirtschaftung des bestehenden Netzes
Eine professionelle Instandhaltung und die stetige Erneuerung der Netzinfrastruktur sind für ein reibungslos funktionierendes Übertragungsnetz unerlässlich. So hat Swissgrid 2021 auf der über 50 Kilometer langen Leitung zwischen Lavorgo und dem italienischen Musignano Isolatoren und Leiterseile ersetzt. Bei solch grenzüberschreitenden Projekten ist eine enge Koordination mit den Nachbarn wichtig, da die Leitung abgeschaltet werden und dies in die Planung des europäischen Netzbetriebs einfliessen muss. Um solche Ausserbetriebnahmen zukünftig reduzieren zu können, testete Swissgrid im vergangenen Berichtsjahr Sanierungsarbeiten – konkret den Ersatz von Isolatoren an einem Masten in Wimmis – unter Spannung. Der Pilotversuch verlief einwandfrei, sodass Swissgrid weitere Anwendungen evaluieren wird.
2021 führte Swissgrid zudem zahlreiche Instandsetzungen durch. Dazu gehören über 200 Arbeiten wie Mastsockelsanierungen, das Auftragen von Korrosionsschutz und der Austausch von Bauteilen. Ein Beispiel ist auch der Ersatz von zwei Masten der Leitung zwischen Fionnay und Riddes, die gemäss geologischen Daten leicht abrutschten. Swissgrid arbeitet eng mit Fachexpertinnen und -experten zusammen, um Naturgefahren einschätzen und Gegenmassnahmen ergreifen zu können.
Um den steigenden Investitionsbedarf in die Netzinfrastruktur gewährleisten zu können, führte Swissgrid im vergangenen Berichtsjahr die 2018 beschlossene Optimierung der Prozesse konsequent fort. Unter anderem werden die Bereiche Portfolioplanung, Netzbauprojekte und Schutz- sowie Stationsleittechnik verstärkt.
Startschuss für das Netz der Zukunft
Neben der Bewirtschaftung der aktuellen Infrastruktur ist für Swissgrid die langfristige Planung von essenzieller Bedeutung, um die wandelnden Anforderungen an das Netz auch in Zukunft bewältigen zu können. 2021 legte das Bundesamt für Energie den «Szenariorahmen Schweiz» (SZR CH) vor, der verschiedene Szenarien zur zukünftigen Entwicklung der Stromerzeugung und des Verbrauchs, der Speicher sowie der Grenzkapazitäten beinhaltet. Der Bundesrat gibt den SZR CH nach einer Vernehmlassung 2022 frei. Parallel dazu regionalisieren die Verteilnetzbetreiber dessen nationale Vorgaben. Swissgrid erarbeitet auf Basis des SZR CH und der regionalisierten Daten das Strategische Netz 2040 und stimmt dieses mit den Verteilnetz- und den europäischen Übertragungsnetzbetreibern ab. Die Publikation wird 2024, nach Prüfung durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom, erfolgen.
Verträge als Basis für eine gute Zusammenarbeit
Swissgrid arbeitet nicht nur in der Netzplanung eng mit den Partnern der Branche zusammen, sondern auch im Markt- und Netzbetrieb. Diese Zusammenarbeit wird in verschiedenen Verträgen festgelegt, die in regelmässigen Abständen aktualisiert und angepasst werden. 2021 hat Swissgrid gemeinsam mit der Branche die Verträge für die Schwarzstart- und die Inselbetriebsfähigkeit überarbeitet und unterzeichnet.
Aufgrund des «Synchronous Area Framework Agreement» (SAFA), des neuen Grundlagenvertrags für den Betrieb des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes, startete Swissgrid 2021 mit der Umsetzung des Beobachtungsgebiets und der Ausarbeitung des entsprechenden Standartvertrags. Ziel des Beobachtungsgebiets ist es, mit den Verteilnetzbetreibern einen Datenaustausch für die Netzbetriebsplanung und -führung aufzusetzen und damit die Betriebssicherheit zu erhöhen.
SAFA hat auch einen Einfluss auf die Rahmenverträge für Systemdienstleistungen, deren Aktualisierung im vergangenen Berichtsjahr startete. Die Überarbeitung betrifft aber insbesondere die technischen und operativen Anforderungen, die für eine Teilnahme an den europäischen Regelenergieplattformen MARI und PICASSO, die 2022 starten, erfüllt sein müssen. Der Zugang zu diesen Plattformen ist für die Systemsicherheit besonders wichtig, da Swissgrid damit auf ein grösseres Angebot an kurzfristigen Regelreserven zugreifen kann.
Ausschluss der Schweiz – Engagement von Swissgrid für neue Lösungswege
Die Teilnahme von Swissgrid an Regelenergieplattformen wie MARI und PICASSO ist stark gefährdet, ebenso die Teilnahme an der TERRE-Plattform, an der Swissgrid seit Herbst 2020 beteiligt ist. Diese Entwicklungen sind die Folge des fehlenden Stromabkommens.
2021 haben die EU-Kommission und die EU-Regulatoren die beteiligten Übertragungsnetzbetreiber aufgefordert, Swissgrid aus diesen Plattformen auszuschliessen. Ebenso wurde der Druck erhöht, Swissgrid nicht mehr an der Imbalance-Netting-Plattform IGCC teilnehmen zu lassen. Swissgrid hat beim Gericht der Europäischen Union eine Nichtigkeitsklage gegen den von der EU-Kommission geforderten Ausschluss von einigen der bereits existierenden und geplanten Regelenergieplattformen eingereicht. Ziel der Klage ist es, die Teilnahmerechte von Swissgrid an den Plattformen zu schützen und Rechtssicherheit bezüglich der Verantwortung für die Folgen eines allfälligen Ausschlusses zu erlangen.
Die fehlende politische Lösung zwischen der Schweiz und der EU beeinflusst nicht nur die Mitwirkung an den für Regelreserven relevanten Plattformen, sondern an weiteren wichtigen europäischen Prozessen. So ist die Schweiz nicht Teil der Kapazitätsberechnungsregionen sowie der gekoppelten Strommärkte. Die Schweizer Netzelemente werden somit in der Berechnung der Kapazitäten für den grenzüberschreitenden Stromhandel nicht ausreichend berücksichtigt. Dies erhöht das Risiko von ungeplanten Stromflüssen. Dank der Unterzeichnung des SAFA-Vertragswerks kann Swissgrid jedoch nun nicht nur das Beobachtungsgebiet umsetzen, sondern auch mit den Übertragungsnetzbetreibern der Kapazitätsberechnungsregionen «Italy North» und «CORE» Vereinbarungen aushandeln. Damit soll Swissgrid zukünftig in die grenzüberschreitenden Kapazitätsberechnungsmethoden, ebenso in die Redispatch- sowie in die Sicherheitskoordinationsprozesse miteinbezogen werden, bleibt aber nach wie vor von der Marktkopplung ausgeschlossen. Die Vereinbarungen mit den Übertragungsnetzbetreibern der Region «Italy North» hat Swissgrid 2021 abgeschlossen. Die Verhandlungen mit der Region «CORE» gestalten sich deutlich komplexer, da viel mehr Übertragungsnetzbetreiber mit teilweise weniger engen Beziehungen zur Schweiz involviert sind.
2021 ergaben sich aufgrund des Clean Energy Package Veränderungen in der Koordination des gesamteuropäischen Netzbetriebs. So wurden neue Netzbetriebsregionen, sogenannte System Operation Regions (SOR), definiert. Aufgrund des fehlenden Stromabkommens ist Swissgrid von diesen SOR ausgeschlossen, kann aber dank eines Kooperationsvertrags zumindest als Beobachterin mitwirken. Für die SOR werden zukünftig Regional Coordination Centres gegründet, die aus früheren Sicherheitskoordinationsstellen wie Coreso und TSCNET gebildet werden. Derzeit engagiert sich Swissgrid dafür, als heutige Aktionärin von TSCNET weiterhin mitgestalten zu können.
Die Herausforderungen nehmen mittelfristig stark zu
Trotz der Bemühungen von Swissgrid, die Risiken für die Schweizer Netzsicherheit zu reduzieren, werden die Herausforderungen bis 2025 stark zunehmen. So müssen die Übertragungsnetzbetreiber Kontinentaleuropas bis dann die Vorgaben der EU umsetzen, 70% der grenzüberschreitenden Kapazität für den Stromhandel zur Verfügung zu stellen. Ebenso plant die EU, bis 2025 die beiden Kapazitätsberechnungsregionen «Italy North» und «CORE» zusammenzuführen und den gekoppelten Strommarkt auf diese Regionen auszuweiten.
Die Folgen für die Schweiz sind schwerwiegend: Derzeit ist nicht geklärt, ob die Lastflüsse zwischen den EU- und den Nicht-EU-Staaten in den Kapazitätsberechnungen berücksichtigt werden dürfen, wenn die 70%-Regel vollständig umgesetzt ist. Sollte dies nicht der Fall sein, werden die Nachbarn der Schweiz allenfalls gezwungen sein, ihre Grenzkapazitäten in Richtung Schweiz einzuschränken. Dies wäre besonders im Winter problematisch, da die Schweiz dann bis zu 40% ihres Stromverbrauchs importiert. Swissgrid rechnet zudem mit einer höheren Volatilität im Strommarkt und damit mit einer Zunahme der ungeplanten Stromflüsse durch die Schweiz.
Swissgrid setzt ihr Engagement fort, um weiterhin auf technischer Ebene mit den europäischen Partnern zusammenarbeiten zu können. Vereinbarungen unter Übertragungsnetzbetreibern sind jedoch kein adäquater Ersatz für ein Stromabkommen. Dies, weil solche Verträge jeweils von den EU-Behörden genehmigt werden müssen. Als Übergangslösung erachtet Swissgrid ein rein technisches, zwischenstaatliches Abkommen als sinnvoll. Damit würde sichergestellt, dass die Schweiz bei den europäischen Plattformen und Prozessen miteinbezogen wird, was zu einer Reduktion der ungeplanten Flüsse und damit zu höheren oder zumindest gleichbleibenden Grenzkapazitäten führt. Für eine langfristig gesicherte Zusammenarbeit mit der EU und damit eine hohe Versorgungssicherheit in der Schweiz schafft jedoch nur ein Stromabkommen einen stabilen Rahmen.
Internationale Kooperation im Bereich Nachhaltigkeit
Trotz dieser Herausforderungen stösst Swissgrid immer wieder Projekte mit Übertragungsnetzbetreibern in Europa an. 2021 hat das Unternehmen gemeinsam mit Amprion, APG, Elia, RED, RTE, TenneT und Terna eine Initiative gestartet, die zum Ziel hat, zur Dekarbonisierung des Energieversorgungssystems beizutragen. Bis Mitte 2021 wurde ein Positionspapier veröffentlicht, wie die Treibhausgas-Emissionen einerseits in den Unternehmen selbst, andererseits in ihren Wertschöpfungsketten reduziert werden können.
Swissgrid hat das Ziel, Nachhaltigkeit auch im Unternehmen noch stärker zu verankern. Im vergangenen Berichtsjahr hat das Unternehmen bereits beschlossen, sein Beschaffungswesen nachhaltig auszurichten. Im Bereich Ökologie wurden in Zusammenarbeit mit Naturschutzorganisationen sogenannte Kleinstrukturen unter ihren Masten gefördert. Ebenso setzt Swissgrid zahlreiche Massnahmen für ihre Mitarbeitenden um: So erhielt das Unternehmen erneut das Zertifikat «Fair Compensation». Gleichzeitig ist Swissgrid neu Mitglied bei profawo, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei den Mitarbeitenden zu fördern. 2021 beendeten die Führungskräfte erfolgreich ein 18-monatiges Entwicklungsprogramm in den Bereichen Leadership und Management, das in Zusammenarbeit mit der Universität St.Gallen durchgeführt wurde.
Abschluss der Netzübernahme durch Swissgrid
Im vergangenen Berichtsjahr schloss Swissgrid die durch das Stromversorgungsgesetz vorgegebene Netzüberführung ab. Seit 2013 wurden die Anlagen des Höchstspannungsnetzes von den früheren Eigentümerinnen an Swissgrid übertragen. Der Wert der einzelnen Anlagen konnte zu den jeweiligen Transaktionszeitpunkten nicht abschliessend ermittelt werden, da hierzu Verfahren zwischen den Eigentümerinnen und der ElCom hängig waren. Anfang 2021 verfügte die ElCom die finalen regulatorischen Werte aller Anlagen. Daraus resultierte eine Erhöhung des Anlagevermögens von Swissgrid um CHF 126 Mio.
Um die früheren Eigentümer für den höheren Wert der Anlagen entschädigen zu können, platzierte Swissgrid 2021 mehrere Anleihen mit einem Gesamtvolumen von CHF 360 Mio. am Kapitalmarkt. Der Erlös der Anleihen diente auch der Teilrefinanzierung von Wandeldarlehen und der Finanzierung von laufenden Investitionen. Swissgrid wird auch in Zukunft auf dem Kapitalmarkt auftreten.