Stark durch Vernetzung
Der Erfolg der Schweiz liegt seit jeher in ihrer engen Vernetzung. Das Land hat bereits frühzeitig erkannt, dass internationale Zusammenarbeit entscheidend ist, um globale Herausforderungen meistern zu können. Wie wichtig die Vernetzung mit Europa ist, zeigt sich nirgendwo deutlicher als im Energiesystem: Das europäische Verbundnetz, das seinen Anfang in der Schweiz mit dem visionären Projekt «Stern von Laufenburg» nahm, bildet heute das Fundament für eine hohe Stromversorgungssicherheit in Europa.
Um die Versorgungssicherheit der Schweiz auch mittel- bis langfristig zu gewährleisten, braucht es ein stabiles Netz, genügend Energie in der Schweiz und die Kooperation mit den europäischen Partnern. Nach dem Entscheid des Bundesrates im Mai 2021, die Verhandlungen mit der EU über ein Rahmenabkommen zu beenden, ist auch der Abschluss eines Stromabkommens in weite Ferne gerückt. Die EU-Regeln für den Netz- und Marktbetrieb entfernen sich immer weiter von den entsprechenden Schweizer Regularien: Ohne Stromabkommen und ohne entsprechende Bestimmungen in den laufenden Schweizer Gesetzesvorhaben wie dem Mantelerlass gelten formell unterschiedliche Spielregeln beidseits der Grenzen.
Eine rein physische Vernetzung mit Europa ohne Einbezug in die Mechanismen und Prozesse des Strommarkts gefährdet nicht nur die Netzbetriebssicherheit, sondern auch die Versorgungssicherheit in der Schweiz. So muss einerseits ausreichend flexible Leistung für die Stabilisierung des Netzes, andererseits aber auch genügend Energie für den ganzjährigen Bedarf zur Verfügung stehen. Dies insbesondere, weil die Schweiz wie viele europäische Staaten die Förderung von erneuerbaren Energien beschlossen hat. Das Land ist bereits heute in den Wintermonaten auf Importe angewiesen, da der Verbrauch dann nicht durch die inländische Produktion gedeckt werden kann. Neben einer engen Vernetzung mit Europa ist somit der schnelle Ausbau der inländischen Produktion im Winter essenziell für die Versorgungssicherheit der Schweiz und ebenso für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiestrategie 2050. Dafür müssen die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Der Mantelerlass, unter dem der Bundesrat die Revisionen des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes zusammengeführt hat und der seit Anfang 2022 im Parlament beraten wird, geht für Swissgrid in die richtige Richtung. Die vorgeschlagenen Massnahmen genügen jedoch angesichts der Einschränkungen bei den Importen nicht. Aus diesem Grund hat Swissgrid gemeinsam mit führenden Stromunternehmen marktbasierte und gesetzliche Lösungsansätze erarbeitet und präsentiert. Aus Sicht der Energiewirtschaft braucht es unter anderem angemessene Reserven, Anreize für den Erhalt und den Ausbau der inländischen erneuerbaren Produktionskapazitäten und ein geregeltes Verhältnis mit der EU.
Zusätzlich engagiert sich Swissgrid auf europäischer Ebene: Mit den Übertragungsnetzbetreibern der Kapazitätsberechnungsregion «Italy North» hat das Unternehmen Ende 2021 Vereinbarungen unterzeichnet. So ist es möglich, auf technischer Ebene weiterhin mit den europäischen Partnern zu kooperieren. Vereinbarungen unter Übertragungsnetzbetreibern sind jedoch kein adäquater Ersatz für ein Stromabkommen. Da dessen Abschluss in absehbarer Zeit nicht möglich ist, schlägt Swissgrid ein rein technisches, zwischenstaatliches Abkommen als Übergangslösung vor. Ein Stromabkommen wäre aber nach wie vor die effizienteste und wirksamste Lösung für eine zuverlässige Stromversorgung der Schweiz. Denn auch in Zukunft soll die hohe Verfügbarkeit des Übertragungsnetzes sichergestellt sein. Trotz der jüngsten Herausforderungen wie der Covid-Pandemie und dem fehlenden Stromabkommen konnte Swissgrid 2021 eine ausgesprochen hohe Verfügbarkeit ihrer Netzinfrastruktur gewährleisten – mit keinem einzigen Versorgungsunterbruch auf Stufe Übertragungsnetz.
Vor 60 Jahren führte die physische Vernetzung zu einem Umbruch im Energiesystem. Heute steht ein solcher aufgrund der digitalen Vernetzung bevor. Die Digitalisierung bietet den Netzbetreibern neue Möglichkeiten, das immer dezentralere und komplexere Energiesystem zu beherrschen. Swissgrid führte unter anderem Pilotprojekte zur Anwendung von Data Science im Netzbetrieb durch und testete den Einsatz von 3D-Visualisierungen, Augmented-Reality-Brillen sowie Drohnen für die Bewirtschaftung der Infrastruktur. Dies sind weitere Schritte auf dem Weg des Unternehmens, Innovation und Digitalisierung stärker zu verankern.
Mit wegweisenden Entwicklungen im Bereich Informationstechnologie und grossen Transformationsprojekten prägte Rainer Mühlberger, Leiter der Business Unit Technology, das Unternehmen. Er hat beschlossen, sich 2021 aus der Geschäftsleitung zurückzuziehen und als Senior Strategic Advisor die Unternehmensstrategie 2027 zu entwickeln. Als neuen CIO konnte Swissgrid Konrad Zöschg gewinnen, der seine Tätigkeit im August aufgenommen hat.
Wir danken Rainer herzlich für sein grosses Engagement und wünschen Konrad einen guten Start im Unternehmen. Ein grosser Dank gilt auch allen Mitarbeitenden, die 2021 trotz der andauernden Corona-Pandemie Aussergewöhnliches geleistet haben.