Die Verfügbarkeit des Übertragungsnetzes war im Berichtsjahr sehr hoch. So gab es keinen Versorgungsunterbruch aufgrund einer Ursache im Übertragungsnetz. 2022 war jedoch von einem zeitweise angespannten Netzbetrieb geprägt, insbesondere im Sommer: In dieser Jahreszeit wurden zahlreiche Bauvorhaben und Instandhaltungsarbeiten im Übertragungsnetz ausgeführt. Gleichzeitig mit den hierfür notwendigen Ausserbetriebnahmen von Netzelementen verzeichnete die Schweiz regional eine sehr hohe Produktion, was zu hohen Netzbelastungen führte. Die geringere Verfügbarkeit der Kernkraftwerke in Frankreich und die aussergewöhnlichen Marktpreise führten zeitweise ebenso zu hohen Lastflüssen auf Schweizer Netzelementen. Insgesamt musste Swissgrid vermehrt Redispatch ausführen, insbesondere auf Anforderung der deutschen Übertragungsnetzbetreiber.
Jahresbericht
Jahresrückblick
Sehr hohe Verfügbarkeit des Übertragungsnetzes
Notfall-Synchronisation der Stromnetze der Ukraine und Moldawiens mit Europa
Seit Mitte März 2022 sind die Übertragungsnetze der Ukraine und Moldawiens mit dem europäischen Verbundnetz synchronisiert. Die Anbindung wurde seit 2017 vorbereitet und die Synchronisation war ursprünglich für 2023 vorgesehen. Eine Beschleunigung des Verfahrens war technisch machbar und mit den entsprechenden Massnahmen konnte ein sicherer und stabiler Betrieb gewährleistet werden. Swissgrid stand als Gründungsmitglied von ENTSO-E in engem Kontakt mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern sowie ENTSO-E und hat in verschiedenen Arbeitsgruppen und Gremien intensiv an der Lösungsfindung mitgearbeitet.
Den Netzbetrieb auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten
Die Anforderungen an den Systembetrieb haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen – dies unter anderem aufgrund der wachsenden Dezentralisierung und Komplexität des Energiesystems. Um die Herausforderungen in der Überwachung und der Steuerung des Netzes bewältigen zu können, setzt Swissgrid die «Vision System Operations» um. Das Ziel: Die Resilienz der Teams soll erhöht und der Bereich personell gestärkt werden.
Um die zunehmenden Investitionen in das Netz und gleichzeitig einen sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten, lanciert Swissgrid zudem die «Vision Operational Planning». Ziel ist es, die unterschiedlichen Bauprojekte sowie Instandhaltungsmassnahmen besser zu koordinieren und gleichzeitig die Planung und Durchführung der damit verbundenen Ausserbetriebnahmen zu optimieren. Dafür wird Swissgrid unter anderem eine Plattform schaffen, um die Ausserbetriebnahmeplanung zu automatisieren und digitalisieren.
Inbetriebnahme der neuen Leitung zwischen Chamoson und Chippis
Am 30. September 2022 nahm Swissgrid nach vier Jahren Bauzeit die neue Höchstspannungsleitung zwischen Chamoson und Chippis in Betrieb. Die rund 30 Kilometer lange Verbindung ist bedeutend für den Abtransport der Energie aus den Walliser Wasserkraftwerken. Die 77 Masten bündeln Leitungen von Swissgrid, der SBB sowie von Valgrid und ermöglichen den Abbau von 90 Kilometer bestehender Freileitungen und mehr als 300 Masten.
Leitung zwischen Pradella und La Punt verstärkt
Seit November 2022 ist die ausgebaute Leitung zwischen Pradella und La Punt in Betrieb. Mit neu zwei 380-kV-Stromsystemen erhöht Swissgrid die Transportkapazität und damit die Versorgungssicherheit im Kanton Graubünden und der ganzen Schweiz. Als Ersatzmassnahme unterstützte Swissgrid die Engadiner Kraftwerke massgeblich beim Ersatz einer Freileitung zwischen Pradella und Bever durch ein Erdkabel. Damit können insgesamt 1100 Freileitungsmasten zurückgebaut werden.
Anschluss für das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance abgeschlossen
Am 1. April 2022 nahm Swissgrid die unterirdische Kabelverbindung zwischen La Bâtiaz und Le Verney in Martigny in Betrieb. Fast zwei Jahre dauerten die anspruchsvollen Bauarbeiten: Der 1,2 Kilometer lange Stollen in 12 bis 20 Meter Tiefe wurde mit einer Mini-Tunnelmaschine gebohrt. Damit stellte Swissgrid den dritten und letzten Abschnitt der Leitung und damit den Anschluss an das Pumpspeicherkraftwerk Nant de Drance fertig
Baustart und -fortschritt bei mehreren Netzprojekten
2022 begann Swissgrid mit dem Ausbau der bestehenden Leitung zwischen Obfelden und Samstagern auf 220 Kilovolt. Auf 380 Kilovolt ausgebaut wird die Leitung zwischen Bassecourt und Mühleberg. 2021 bestätigte das Bundesgericht die Pläne von Swissgrid für diese für den Grossraum Bern und das Mittelland bedeutende Leitung. Weit fortgeschritten sind die Bauarbeiten für die neue 380-kV-Leitung zwischen Mörel-Filet und Ernen.
Zahlreiche Projekte im Genehmigungs- und Plangenehmigungsverfahren
Zahlreiche Netzprojekte befinden sich in den Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren: Für das Bauvorhaben zwischen Flumenthal und Froloo (Therwil) hat Swissgrid das Gesuch für den Start des Sachplanverfahrens beim Bundesamt für Energie eingereicht. Einen Schritt weiter ist das Projekt zwischen Niederwil und Obfelden. Dort hat der Bundesrat den Planungskorridor und die Übertragungstechnologie festgesetzt. Für das Netzprojekt zwischen Innertkirchen und Ulrichen hat das Bundesamt für Energie den Planungskorridor für die zukünftige Leitung vorgeschlagen. Das Projekt zwischen Bickigen und Chippis verzögert sich weiter. Zwar wurde die Plangenehmigung für die Erhöhung der Spannung auf 380 Kilovolt durch das Bundesamt für Energie erteilt, doch wurden dagegen Beschwerden erhoben, so dass nun das Bundesgericht ein Urteil fällen muss.
Einzigartiges Pionierprojekt – Kabelleitung im Gotthardstrassentunnel
Zum ersten Mal wird eine Höchstspannungsleitung mit einem nationalen Strassentunnel gebündelt. 2022 reichte Swissgrid das Plangenehmigungsgesuch für die Erdverlegung der Gotthardleitung ein. Zwischen Airolo und Göschenen wird Swissgrid die 220-kV-Höchstspannungsleitung auf einer Gesamtlänge von 18 Kilometern – davon 17 Kilometer in der zweiten Röhre des Gotthardstrassentunnels – verlegen. Danach wird Swissgrid über 70 Höchstspannungsmasten und 23 Kilometer Freileitung demontieren.
Um- und Ausbau von Schaltanlagen und Transformatoren
Im Herbst 2022 begann Swissgrid mit den Bauarbeiten im Unterwerk Mettlen (Eschenbach), ein wichtiger Knotenpunkt im Schweizer Übertragungsnetz. Geplant ist der Bau von zwei neuen 800-MVA-Transformatoren. Gemeinsam mit der SBB hat Swissgrid zudem das Plangenehmigungsgesuch für die Modernisierung des Unterwerks in Biasca eingereicht. Unter anderem wird die Freiluftanlage durch eine moderne, gasisolierte Schaltanlage ersetzt sowie ein Frequenzumrichter der SBB installiert.
Laufende Investitionen in das bestehende Netz
Damit das Übertragungsnetz einwandfrei betrieben werden kann, braucht es zusätzlich zum Um- und Ausbau des Netzes eine permanente Instandhaltung. Dazu gehören nicht nur das Auswechseln von Leiterseilen, die Revision von Leistungsschaltern, der Korrosionsschutz von Tragwerken, die Ausholzungen oder der Schutz vor Lawinen, sondern auch die Instandsetzung der Anlagen nach einem Schadensereignis.
Den Netzausbau beschleunigen
Aktuell beträgt die Dauer vom Projektstart bis zur Inbetriebnahme bei Netzbauprojekten mindestens 15 Jahre. Sechs Phasen umfasst das Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren des Bundes. Einsprachen und Gerichtsverfahren führen immer wieder dazu, dass sich Projekte deutlich verzögern. Swissgrid setzt sich dafür ein, dass die Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren effizienter ausgestaltet werden und damit der Netzausbau beschleunigt wird. Denn die Modernisierung der Netzinfrastruktur ist für das Gelingen der Energiestrategie des Bundes essenziell.
Das Netz der Zukunft
Damit das Netz den zukünftigen Bedürfnissen gerecht wird, erstellt Swissgrid periodisch einen Mehrjahresplan, das sogenannte Strategische Netz. Die Planung für das Strategische Netz 2040 erreichte im vergangenen Berichtsjahr mehrere wichtige Meilensteine. Swissgrid hat ihre Grundsätze für die langfristige Netzplanung festgelegt, der Bundesrat genehmigte im Herbst den vom Bundesamt für Energie erarbeiteten Szenariorahmen Schweiz (SZR CH) und gleichzeitig regionalisierten die Verteilnetzbetreiber in Zusammenarbeit mit Swissgrid dessen nationale Vorgaben. Anhand dieser Grundlagen wird nun Swissgrid das Strategische Netz 2040 ausarbeiten. Dieses wird nach der Überprüfung durch die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom voraussichtlich 2024 der Öffentlichkeit präsentiert.
Mehr Schutz für die Swissgrid Unterwerke
Mittels baulichen sowie organisatorischen Massnahmen und der Installation von Sicherheitssystemen erhöht Swissgrid im Rahmen eines Projekts das Schutzniveau der Unterwerke. In der Pilotphase hat Swissgrid neue Sicherheitsstandards erarbeitet, IT-Systeme entwickelt und neue Prozesse implementiert. Die Umsetzung ist bei ersten Unterwerken im Berichtsjahr erfolgt.
Erfolgreiche Safety-Culture-Ladder-Zertifizierung
2021 führte das Unternehmen die Safety Culture Ladder ein, eine Bewertungsmethode, mit der das allgemeine Sicherheitsbewusstsein im Unternehmen gemessen werden kann. Im letzten Berichtsjahr folgte ein weiterer wichtiger Meilenstein: Swissgrid bestand das erste SCL-Zertifizierungsaudit erfolgreich und erreichte die angestrebte dritte Stufe des insgesamt fünfstufigen Reifegradmodells.
Business Continuity Management – auf ausserordentliche Lagen vorbereitet sein
Swissgrid investiert als Eigentümerin einer der kritischsten Infrastrukturen der Schweiz laufend in ihre Resilienz: Im Bereich Business Continuity Management (BCM) baute das Unternehmen die Organisation zur Sicherstellung des Kernauftrags im entsprechenden Ereignisfall aus. Im November führte das Unternehmen zudem eine umfassende Übung durch, in der Personal an dezentralen Sammelplätzen aufgeboten und deren Zusammenarbeit vor Ort sowie mit den Mitarbeitenden der Netzleitstellen, ebenso der Einsatz der BCM-relevanten IT-Systeme getestet wurde.
Weiterer Meilenstein im Ausbau der Cyber Security erreicht
Der Schutz von Informationen und informationsverarbeitenden Systemen ist für Swissgrid von strategischer Bedeutung. Denn die Handlungsfähigkeit der Organisation und die Funktionsfähigkeit der technischen Infrastruktur basieren auf geschützten Informationen und Systemen.
Um einen umfassenden Schutz zu gewährleisten, ergreift Swissgrid zahlreiche Massnahmen. Deren Management wurde 2022 einem Auditprozess unterzogen, der mit einer Zertifizierung nach ISO/IEC 27001 erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Die Zertifizierung ist Resultat umfassender Bemühungen von Swissgrid, sich auch im Bereich Cyber Security stetig weiterzuentwickeln.
Hohes Sicherheitsbewusstsein – Sensibilisierung der Mitarbeitenden
Das Unternehmen etabliert eine hohe Sicherheitskultur im Unternehmen. Erforderlich dafür ist ein gemeinsames Verständnis und Bewusstsein für das Thema Sicherheit. 2022 führte Swissgrid daher für alle Mitarbeitenden erstmals eine eintägige Schulung durch, in der sicherheitsrelevante Themen diskutiert wurden. Im Fokus standen dabei unter anderem die Arbeitssicherheit und Cyber Risiken. Die Schulung wird zukünftig jährlich durchgeführt.
Swissgrid technisch bereit für MARI-Plattform
Die MARI-Plattform ermöglicht innerhalb des europäischen Strombinnenmarkts den Austausch von schneller Tertiärregelenergie. Seit August ist Swissgrid technisch bereit, um an die MARI-Plattform angeschlossen zu werden. Dazu hat Swissgrid unter anderem auch die Regelenergieprodukte der Schweiz angepasst. Die Plattform wurde im Herbst in Betrieb genommen. Da aber ein Stromabkommen mit der EU fehlt, ist Swissgrid vorerst noch nicht mit der Plattform verbunden.
Alle Vorbereitungen für den Anschluss an die PICASSO-Plattform abgeschlossen
Swissgrid hat im Juni alle technischen Vorbereitungen abgeschlossen, um an die internationale PICASSO-Plattform angeschlossen zu werden. PICASSO ermöglicht den Austausch von Sekundärregelenergie und integriert die Netting-Funktion, die bis anhin durch die International Grid Control Cooperation (IGCC) ausgeführt wurde. Vorerst besteht aufgrund des fehlenden Stromabkommens keine Verbindung zur europäischen Plattform. In der IGCC ist Swissgrid bis auf Weiteres Mitglied.
Fortschritte bei der Berücksichtigung in der europaweiten Kapazitätsberechnung
Die fehlende politische Lösung zwischen der Schweiz und der EU hat zur Folge, dass die Schweiz nicht Teil der für Swissgrid relevanten Kapazitätsberechnungsregionen «Italy North» und «CORE» sowie der gekoppelten Strommärkte ist. Dank der Unterzeichnung des Synchronous Area Framework Agreement (SAFA) war es Swissgrid dennoch möglich, Verhandlungen mit den Übertragungsnetzbetreibern der Kapazitätsberechnungsregion «Italy North» aufzunehmen und Ende 2021 bilaterale Verträge abzuschliessen. Diese haben eine Laufzeit von jeweils einem Jahr und müssen immer wieder von den beteiligten Regulatoren genehmigt werden. Swissgrid ist während der Laufzeit technisch vollumfänglich in die grenzüberschreitenden Kapazitätsberechnungsmethoden, in die Redispatch- und in die Sicherheitskoordinationsprozesse, miteinbezogen. Der Vertrag mit «Italy North» wurde Ende 2022 erneuert.
Mit der Kapazitätsberechnungsregion «CORE» wurde mit den beteiligten Übertragungsnetzbetreibern ein gemeinsames Konzept zur Berücksichtigung der Schweizer Netzelemente in der Kapazitätsberechnung an der Nordgrenze erarbeitet, 2022 wurde zudem ein Prototyp umgesetzt. In einem nächsten Schritt wird das Konzept finalisiert und muss dann noch von den Übertragungsnetzbetreibern und den Regulatoren von «CORE» genehmigt werden.
Überarbeitung von Verträgen anhand der Bestimmungen der europäischen Network Codes
Die Unterzeichnung des Synchronous Area Framework Agreement (SAFA) legte die Basis dafür, dass Swissgrid trotz derzeit fehlendem Stromabkommen auf technischer und operativer Ebene mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern kooperieren kann. Swissgrid muss somit sicherstellen, dass die Bestimmungen des Vertragswerks sowie der damit verbindlichen europäischen Network Codes eingehalten werden. Dafür wurden bereits der Transmission Code und das Balancing Concept angepasst. Im Jahr 2022 überarbeitete Swissgrid unter anderem die Rahmenverträge für Systemdienstleistungen und schrieb die Aufbauzellen für die Schwarzstart- und Inselbetriebsfähigkeit neu aus.
Regional Operation Security Coordination zur Erhöhung der Betriebssicherheit
2021 ergaben sich infolge des Clean Energy Package Veränderungen in der Koordination des gesamteuropäischen Netzbetriebs. Die Kapazitätsberechnungsregionen wurden beauftragt, eine Methode zur Koordination der Betriebssicherheit (Regional Operation Security Coordination, ROSC) zu entwickeln. Swissgrid ist wegen des fehlenden Stromabkommens nicht Teil der Kapazitätsberechnungsregionen «Italy North» und «CORE». Aufgrund der Wichtigkeit für die regionalen Netzsicherheitsberechnungen soll Swissgrid dennoch in die ROSC-Prozesse eingebunden werden.
Ein höheres Mass an Zusammenarbeit soll auch durch die Weiterentwicklung der derzeitigen regionalen Sicherheitskoordinatoren wie TSCNET zu zukünftigen Regional Coordination Center (RCC) erreicht werden. Die RCC werden in den neuen Netzbetriebsregionen, den sogenannten System Operations Regions (SOR), gebildet. Swissgrid ist nicht Teil der SOR und kann deshalb auch bei den RCC nicht mitwirken. Derzeit engagiert sich Swissgrid dafür, als heutige Aktionärin von TSCNET weiterhin mitgestalten zu können.
70%-Regel – die Herausforderungen für Swissgrid nehmen stark zu
Aufgrund des Clean Energy Package haben die Übertragungsnetzbetreiber Kontinentaleuropas die Vorgabe, bis spätestens Ende 2025 70% der grenzüberschreitenden Kapazität für den Stromhandel zur Verfügung zu stellen. Falls die Schweiz bis dann nicht vollumfänglich in den Kapazitätsberechnungen für den grenzüberschreitenden Handel berücksichtigt wird, werden die ungeplanten Stromflüsse noch mehr zunehmen. Ebenso werden die Nachbarländer allenfalls gezwungen sein, ihre Grenzkapazitäten in Richtung Schweiz einzuschränken. Dies ist besonders im Winter problematisch, wenn die Schweiz auf Importe und entsprechende Grenzkapazitäten angewiesen ist.
Ohne Stromabkommen nur noch beschränkte Mitwirkung in Europa möglich
Das fehlende Stromabkommen verhindert die Mitwirkung von Swissgrid an vielen europäischen Prozessen und Plattformen: So ist dem Unternehmen eine Verbindung mit den für Regelreserven relevanten Plattformen MARI und PICASSO aktuell nicht möglich, gefährdet ist auch die weitere Teilnahme bei TERRE. Ausserdem ist Swissgrid nicht Teil des Flow-Based Market Coupling und der an die Schweiz grenzenden Kapazitätsberechnungsregion «CORE». Nicht berücksichtigt ist das Unternehmen zudem bei den System Operations Regions und kann somit auch nicht bei den Regional Coordination Center mitwirken, die zukünftig eine wichtige Rolle bei der Koordination des Netzbetriebs einnehmen werden.
Die Isolation von Swissgrid vergrössert das Risiko für ungeplante Stromflüsse im Schweizer Netz. Das Unternehmen engagiert sich daher mit allen seinen zur Verfügung stehenden Mitteln, um aktiv mitwirken zu können. So wurden privatrechtliche Vereinbarungen abgeschlossen, um beispielsweise bei «Italy North» bei der Kapazitätsberechnung mitberücksichtigt zu werden. Ebenso hat Swissgrid aus Gründen der Systemsicherheit Rechtsmittel gegen Entscheide von EU-Behörden ergriffen. Längerfristig bieten diese Massnahmen jedoch keinen adäquaten Ersatz für ein Stromabkommen.
Equigy – Pilotprojekt mit ewz erfolgreich abgeschlossen
Im letzten Berichtsjahr führten Swissgrid und ewz ein Pilotprojekt mit der Crowd Balancing Plattform Equigy durch. Die Plattform, die Swissgrid gemeinsam mit TenneT und Terna gegründet hat, ermöglicht mittels Blockchain-Technologie, kleine und flexible Energieressourcen einfacher zu bündeln, zu steuern und für die Stabilisierung des Netzes einzusetzen.
Der Fokus des Pilotprojekts lag darauf, festzustellen, wie diese Energiequellen nicht nur zur Stabilisierung des Übertragungsnetzes, sondern auch des Verteilnetzes eingesetzt werden können und wie die Zusammenarbeit zwischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber automatisiert werden kann. Um die zunehmende Dezentralisierung und damit Komplexität des Energiesystems bewältigen zu können, werden solchen Kooperationen zukünftig mehr Bedeutung zukommen. In einem nächsten Schritt wird Swissgrid nun weitere Pilotprojekte mit mehr Teilnehmern durchführen.
Pylonian – den Zustand der Masten im Detail kennen
Swissgrid startete 2021 ein Innovationsprojekt, bei dem Internet-of-Things-Sensoren auf Masten platziert wurden, um verschiedene Grössen wie Mastschwingungen, Mastneigung, Temperatur und Sonneneinstrahlung zu messen. Dabei werden auch datengetriebene Algorithmen entwickelt, um unter anderem Muster und Anomalien aus den Messwerten zu erkennen. Ziel von Swissgrid ist es, den Zustand der Masten über den gesamten Lebenszyklus zu überwachen und Instandhaltungsarbeiten somit gezielter vornehmen zu können. Bisher wurden sieben Masten mit solchen Sensoren ausgestattet und deren Daten werden bereits laufend analysiert. Swissgrid prüft nun die Möglichkeit, das Projekt schrittweise auf Hunderte oder gar Tausende von Masten auszuweiten.
Compose – automatisierte Prozesse in der Ausserbetriebnahmeplanung
Mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt COMPOSE verfolgt Swissgrid das Ziel, die Ausserbetriebnahmeplanung von Netzelementen zu automatisieren und zu optimieren. Gleichzeitig soll dadurch eine Entscheidungshilfe für Massnahmen bei allfälligen Netzengpässen geschaffen werden. Die Planung von Ausserbetriebnahmen ist hochkomplex, da sich diese in vielfacher Weise auf die Lastflüsse im Netz auswirken. In diesem Umfeld bietet sich der Einsatz von mathematischer Optimierung und Algorithmen an.
2022 hat Swissgrid einen Prototypen erarbeitet, der die Auswirkungen von Ausserbetriebnahmen simulieren und die besten Zeitfenster für deren Ausführung erkennen kann. Dieser wird nun in einem nächsten Schritt weiterentwickelt und dessen Funktionalitäten erweitert.
eflux – Visualisierung des aktuellen Netzzustands
Das Projekt eflux hat zum Ziel, den Netzzustand auf einfach lesbare Weise darzustellen und neben der Grossleinwand in der Netzleitstelle auch auf Geräten wie Laptop, Smartphone und Tablet für neue Zielgruppen zugänglich zu sein.
Ein disziplinenübergreifendes Team erarbeitete eine neue, schematisierte Darstellung des Übertragungsnetzes, angelehnt an den Linienplan des Londoner U-Bahnnetzes. Der Prototyp bietet eine schnelle Orientierung und lässt Problemzonen im Netz rasch erkennen. Dies vereinfacht die Arbeit der Operateure, die Situationen im Netz innert Kürze erkennen, analysieren und Lösungen erarbeiten müssen. Konkret werden Funktionalitäten wie zoombare Darstellung, Animation der Lastflüsse und Darstellung von Zeitreihendiagrammen angeboten. In einem Nachfolgeprojekt wird die Darstellung nun allen Mitarbeitenden zugänglich gemacht.
Strategie 2027 – Start in eine neue, fünfjährige Strategieperiode
Im letzten Berichtsjahr wurde unternehmensweit an der Strategie 2027 gearbeitet, die eine neue fünfjährige Strategieperiode einläutet. In den nächsten Jahren setzt Swissgrid auf bewährte Stärken mit vier bisherigen Schwerpunkten: «Versorgungssicherheit», «Grid Transfer Capacity», «Safety & Security» sowie «Operational Excellence». Gleichzeitig setzt das Unternehmen neue Akzente, indem «Innovation und Digitalisierung» als neuer Fokus positioniert und, die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens gefördert wird.
Corporate Social & Environmental Responsibility – Teil der neuen Strategie
Swissgrid hat sich zum Ziel gesetzt, Nachhaltigkeit noch stärker im Unternehmen zu verankern. Mit der Integration von Corporate Social & Environmental Responsibility (CSER) in die Strategie 2027 wurde ein wichtiger Schritt erreicht, um Swissgrid unternehmensweit auf nachhaltige Entwicklung auszurichten. Im letzten Berichtsjahr wurde die Wesentlichkeitsanalyse erarbeitet und die Auswahl der relevanten Sustainability Development Goals getroffen. Damit legte Swissgrid die Grundlage für eine Priorisierung der CSER-Massnahmen und deren Umsetzung in allen Bereichen des Unternehmens.
Massnahmen für eine sichere Stromversorgung – Expertenbericht von Swissgrid und der Branche
An einem Sessionsanlass des Bundesparlaments im Frühling 2022 stellte Swissgrid gemeinsam mit den Stromproduzenten AET, Alpiq, Axpo, BKW und Repower einen Expertenbericht mit Lösungsansätzen für eine langfristig sichere und möglichst CO2-neutrale Stromversorgung in der Schweiz vor. Die Analyse wurde auch dem Bundesamt für Energie und der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom präsentiert.
Das Fazit lautete, dass der Mantelerlass «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien» in die richtige Richtung geht, jedoch nicht ausreicht, um die Versorgung besonders im Winter zu gewährleisten. Die Unternehmen forderten den Aufbau von Reserven beispielsweise durch Back-up-Kraftwerke und die Beschleunigung der Genehmigungsprozesse für die Erneuerung der Netze sowie für neue Produktionsanlagen. Als weitere wichtige Anforderung wurde eine zwischenstaatliche Lösung für eine technische Integration der Schweiz als Alternative für das Stromabkommen definiert.
Verfahren für Wasserkraft- und Windenergieanlagen sollen beschleunigt werden
Der Bundesrat startete im Februar 2022 eine Vernehmlassung für die sogenannte Beschleunigungsvorlage. Ziel der Änderung im Energiegesetz ist es, die Planungs- und Bewilligungsverfahren für die bedeutendsten Anlagen der Wasserkraft und der Windenergie zu vereinfachen und zu straffen. Zusätzlich soll der Ausbau der Photovoltaik vorangetrieben werden. Swissgrid nahm im Mai 2022 zu dieser Änderung des Energiegesetzes Stellung. Swissgrid begrüsst die Massnahmen, fordert aber, dass die Bewilligungsverfahren für die Netze koordiniert und auch beschleunigt werden.
Bundesrat überträgt Swissgrid das Strom-Monitoring für die wirtschaftliche Landesversorgung
Im Hinblick auf eine mögliche Strommangellage in der Schweiz im Winter 2022/2023 beschloss der Bundesrat am 4. Mai 2022, dass Swissgrid für den Fachbereich Energie der wirtschaftlichen Landesversorgung ein neues Monitoring-System entwickeln soll. Das Ziel des Monitorings ist es, Informationen über die aktuelle Versorgungs- und Marktsituation in der Schweiz zu gewinnen. Zudem soll es Analysen zur Eigenversorgung liefern und aufzeigen, wie lange die Schweiz die Stromversorgung ohne Importe sicherstellen könnte. Swissgrid nahm das System planmässig Ende Jahr in Betrieb.
Vorbereitungen für eine sichere Stromversorgung der Schweiz im Winter
Der Ukrainekonflikt und die damit verbundenen erheblich tieferen Gaslieferungen nach Europa sowie Turbulenzen an den Energiemärkten haben im Jahr 2022 eine Energiekrise ausgelöst, von der auch die Schweiz betroffen war. Swissgrid teilte die Einschätzung des Bundes, wonach in Bezug auf die sichere Stromversorgung der Schweiz im Winter 2022/2023 Unsicherheiten bestanden.
Der Bundesrat hatte zur kurzfristigen Erhöhung der Versorgungssicherheit verschiedene Massnahmen angeordnet und Swissgrid neue Rollen übertragen. So verantwortete das Unternehmen die Auktion der Wasserkraftreserve im Oktober 2022. Zudem stellte Swissgrid mit baulichen Massnahmen sicher, dass die Spannung auf den Leitungen zwischen Bickigen und Chippis sowie Bassecourt und Mühleberg nach entsprechender Genehmigung temporär erhöht werden kann. Auch der Anschluss des Reservekraftwerks in Birr an das Übertragungsnetz wurde von Swissgrid umgesetzt. Das Unternehmen übernahm zudem die operative Abwicklung für einen allfälligen Einsatz von Notstromgruppen als zusätzliche Reserve.
Das Unternehmen setzte alles daran, seinen Beitrag an eine zuverlässige Stromversorgung der Schweiz zu leisten. So ergriff Swissgrid zusätzliche Massnahmen wie die frühzeitige Beschaffung von Regelleistung. Ebenso setzte Swissgrid bereits Anfang Juli 2022 eine interne Taskforce ein.
Swissgrid emittiert eine weitere Unternehmensanleihe
Am 24. Mai 2022 hat Swissgrid eine weitere Anleihe am Kapitalmarkt mit einem Volumen von CHF 175 Mio. platziert. Der Erlös dieser Anleihe dient der Rückzahlung von kurzfristigen Finanzverbindlichkeiten, der Finanzierung von laufenden Investitionen und Beschaffungsaufwänden.
Wahl von zwei neuen Verwaltungsräten
An der ordentlichen Generalversammlung vom 18. Mai 2022 wurden zwei neue Verwaltungsräte gewählt. Felix Graf, seit Juni 2018 CEO der NZZ, ist neu unabhängiges Mitglied des Verwaltungsrates. Er folgt auf Isabelle Moret. Zudem wurde Martin Koller, seit 2012 bei der Axpo Holding tätig, als Branchenvertreter gewählt. Er ersetzt damit Kerem Kern.
Im Dialog mit der Branche und Bevölkerung
Es ist Swissgrid ein grosses Anliegen, transparent und kontinuierlich über ihre Tätigkeiten und insbesondere ihre Bauvorhaben zu informieren. 2022 führte Swissgrid unter anderem Informationsanlässe für geplante Bauprojekte zwischen Innertkirchen und Ulrichen, Flumenthal und Froloo (Therwil) sowie Airolo und Göschenen durch. Das temporäre Besucherzentrum in Bözberg zu den Chancen und Herausforderungen von Erdverkabelungen und Freileitungen empfing im Juni 2022 seine letzten Besucherinnen und Besucher. Zudem war das Unternehmen an verschiedenen Messen präsent – Beispiele sind die Foire du Valais und die Vifra im Wallis, die Assis européennes de la transition énergétique in Genf sowie die LUGA in Luzern.
Im engen Kontakt blieb Swissgrid auch mit der Branche: Grosse Veranstaltungen fanden in Castione und zur Inbetriebnahme der Leitung zwischen Chamoson und Chippis statt. Ebenso führte Swissgrid hybride oder virtuelle Formate wie das Netzforum, ein Branchenwebinar, die Netznutzungstagung oder das Bilanzgruppenmanagement-Partner-Meeting durch.